Zur Auferstehung aufstehen – heute und jetzt

Der Winter scheint sich nach einem kurzen Intermezzo endgültig aus unseren Breitengraden verabschiedet zu haben, um dem Frühling Platz zu machen. Ich freue mich über die erwachende Blumenpracht in meinem Garten und die zunehmend angenehmen Temperaturen. Die meisten von uns freuen sich auf ein paar freie Tage über Ostern und vielleicht auch auf Schoggihasen und andere Süssigkeiten oder auf schön gefärbte Ostereier auf dem Brunchtisch am Sonntagmorgen. Nicht nur Hasen und Hühnereier sprechen symbolisch von Fruchtbarkeit und neu entstehendem Leben. Jedes laue Lüftchen an einem Frühlingstag umweht uns mit dieser Botschaft und kitzelt uns damit in der Nase. Dieses Erwachen der Lebensgeister lässt uns etwas spüren von der Erneuerungskraft des Leben, von der ungestümen Vitalität und Dynamik von Lebensprozessen in der Natur.

Ostern
Christus lebt
die Hasen
sterben aus

so lautet ein Gedicht des Berner Dichters und evangelischen Pfarrers Kurt Marti. Mit einem Schmunzeln weist er damit auf die Widersprüchlichkeit hin zwischen unserer Sehnsucht nach dem Leben in Fülle und der Wirklichkeit, wie wir sie tagtäglich erleben.

Das bevorstehende Osterfest nimmt diese Sehnsucht auf und erinnert an die Durchschlagskraft des Lebens: Ostern ist das höchste Fest im christlichen Jahreskreis und erinnert an die Auferstehung Jesu Christi nach seinem Martyrium am Kreuz. Die biblischen Texte erzählen uns, dass Jesus, der jüdische Mann aus Nazareth, nach seiner Verurteilung zum Tod am Karfreitag ans Kreuz genagelt wurde, dort gestorben und nach drei Tagen im Grab auferstanden ist von den Toten. Dies geschah am jüdischen Pessach-Fest, anlässlich dessen Jüdinnen und Juden der Befreiung ihres Volkes aus der ägyptischen Sklaverei und des Auszugs in die Freiheit gedenken. Deshalb werden in beiden Traditionen diese Feste zeitgleich gefeiert.

Auferstehung von den Toten: Ein schwieriger Begriff für uns moderne Menschen. Der oben erwähnte Kurt Marti beschreibt die Fragestellungen, die sich daraus ergeben mit folgenden Worten:

Ihr fragt
wie ist
die Auferstehung der Toten?
Ich weiss es nicht.

Ihr fragt
wann ist
die Auferstehung der Toten?
Ich weiss es nicht.

Ihr fragt
gibt es
eine Auferstehung der Toten?
Ich weiss es nicht.

Ihr fragt
gibt es
keine Auferstehung der Toten?
ich weiss es nicht.

Ich weiss nur
wonach ihr nicht fragt:
Die Auferstehung derer die leben

Ich weiss nur
wozu Er uns ruft:
Zur Auferstehung heute und jetzt

Die Auferstehung derer, die leben. Zur Auferstehung aufstehen; -heute und jetzt! Die schöpferische Kraft, welche die Auferweckung Jesu bewirkt hat, stellt eine  uneingeschränkte Zusage der göttlichen Schöpfungskraft zur ganzen Welt dar. Gleichzeitig ist es eine Absage an die Bosheit, einen Menschen vorsätzlich zu foltern und am Kreuz um sein Leben zu bringen.

Der Hingerichtete sagt: «Friede sei mit euch!» und reagiert so auf Verrat und Herzlosigkeit. Das ist die schöpferische Gegenkraft gegen alle lebensfeindlichen Vernichtungstendenzen in uns und in der ganzen Welt. Gebückte und erniedrigte Menschen erheben sich, um den aufrechten Gang zu lernen und zur Menschenwürde zurück zu finden. Einzelne Menschen, ganze Gruppen und Völker sind auf dem Weg der Befreiung von Knechtschaft und Unterdrückung. Sie suchen einen Raum zum Leben, Gerechtigkeit und Frieden. Der Auszug aus Ägypten findet im Hier und Heute statt.

Auch wenn die Hasen nicht mehr sehr zahlreich durch unsere Wiesen hoppeln, so zeugen Schutzbemühungen von engagierten Menschen für diese bedrohte Spezies von der Kreativität im Einsatz für die Schaffung von Lebensperspektiven für unsere Mitwelt. «Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung» lautet darum seit den ökumenischen Versammlungen das gemeinsame Credo der christlichen Kirchen in Europa.

Ostern so gesehen ist ein neuer Schöpfungsakt, der die Welt neu ausrichtet. Ostern bedeutet Zuwendung zur Welt. In diese konkrete Welt hinein hat Jesus seine Jüngerinnen und Jünger gesandt. Tod und Vernichtung sollen nicht das letzte Wort haben. Ein schöne Tradition in der Liturgie ist das Osterlachen: Der Tod wird ausgelacht und verliert so seinen Stachel. Dieser Welt und allen Menschen guten Willens gilt diese Hoffnung christlichen Glaubens. Gott immer wieder ein Tätigkeitswort werden zu lassen, das ist Ostern konkret; -erfahrbar und spürbar.

Esther Gisler, Theologin