«Tanzen möchte ich, pfeifen, radeln, die Welt sehen, meine Jugend geniessen, frei sein.» Anne Frank, 12. Juni 1929 – Anfang März 1945

Er ist kurz der Satz. Und doch gehaltvoll. Es springt einen daraus die Sehnsucht nach sattem, sinnerfülltem Leben geradezu entgegen. Die Lust auch, sich zu spüren und mit sich und der Welt in Kontakt zu treten. So gesehen kommt er einer Ermutigung für den Leser, die Leserin gleich. Gedacht und niedergeschrieben wurde er von einer jungen Frau namens Anne Frank. In ihrem Tagebuch machte sie sich Luft und brachte ihre Träume und Erlebnisse in einer aussergewöhnlichen Situation zu Papier. Denn die Atmosphäre im Hinterhaus, wo sie sich mit ihrer Schwester Margot, ihren Eltern Edith und Otto und Weiteren vor den Schergen des Naziregimes versteckt hielt, war angespannt. Da sie in ständiger Angst und Ungewissheit lebten, führte dies immer wieder zu Unruhe und Spannungen zwischen ihnen. Je länger sie auf engstem Raum zusammenlebten, desto deutlicher kamen persönliche Konflikte zum Vorschein. So geriet Anne häufig in Konflikte mit ihrer Mutter, weil sich diese zunehmend verzweifelt und hoffnungslos zeigte, was nicht zu Annes Charakter passte. Der Vater musste vermitteln. Für Anne war es besonders schwierig, weil sie ausgerechnet zu Beginn ihrer Jugend, die bei anderen jungen Menschen von einer Aufbruchstimmung geprägt ist, mit ihren Eltern eingesperrt war und sich diszipliniert verhalten musste. So gesehen ist der Spruch der Ausdruck einer jungen Frau, welche einfach ihr Leben leben möchte.

Anne Frank war Jüdin und gehörte somit zur selben Religionsgemeinschaft wie Jesus, der Wanderprediger aus Nazareth. Die Verfolgung der Jüdinnen und Juden hat eine lange Geschichte: Antijudaismus ist jene vom Christentum geprägte Judenfeindlichkeit, die seit dem Entstehen der Kirche im 2. Jahrhundert das ganze Mittelalter durchzog, sich aber seit der Reformation und dem Dreissigjährigen Krieg differenzierte. Er entwickelte sich in der Neuzeit in den verschiedenen christlichen Konfessionen und Ländern unterschiedlich und bildete eine der entscheidenden Voraussetzungen für den säkularen, sozialdarwinistischen und rassistischen Antisemitismus, auf dem dann das Dritte Reich einen guten Boden für seine Politik und Taten fand. Nach 1945 begann ganz allmählich die Aufarbeitung des christlichen Antijudaismus und eine Neubestimmung des Verhältnisses zum Judentum. Unter dem Einfluss von Theologen wie Karl Barth und Helmut Gollwitzer kam es zu einer theologischen Neubesinnung auf die unaufgebbaren jüdischen Wurzeln und Inhalte des christlichen Glaubens. Noch immer ist die Versuchung gross, das Judentum als Negativfolie für die eigene Religion zu benutzen. Auch die Feministische Theologie war in ihren Anfängen davor nicht  gefeit. Dabei sind in jeder Tradition unterdrückerische und befreiende Strömungen zu finden. Letztere müssen entdeckt und fruchtbar gemacht werden für ein gutes Leben für Alle.

So kann der lebenshungrige Spruch der Jüdin Anne Frank bedeuten, dass zuerst der Mensch kommt mit seinen Bedürfnissen nach Freiheit und Glück. Und dass jenseits von religiösen Wahrheitsansprüchen getanzt, gepfiffen und geradelt werden soll.

Annelies Marie Frank, genannt Anne Frank (* 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main; † Anfang März 1945 im KZ Bergen-Belsen), war ein jüdisches deutsches Mädchen, das 1934 mit seinen Eltern in die Niederlande auswanderte, um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Nach ihrer Deportation nach Bergen-Belsen verstarb sie dort an den Folgen einer Typhuserkrankung; einige Wochen bevor britische Truppen das Lager befreiten. Zuvor hatte sie sich mit ihrer Familie in einem Hinterhaus in Amsterdam versteckt gehalten, wo sie ihre Erlebnisse und Gedanken niederschrieb. Das nach dem Krieg von ihrem Vater Otto Frank, der als Einziger der Familie überlebt hatte, veröffentlichte „Tagebuch der Anne Frank“ gilt als ein historisches Dokument aus der Zeit des Holocaust und die Autorin als Symbolfigur für alle Opfer der Vernichtungspolitik der Zeit des Nationalsozialismus.